VS-Schwenningen: In jeder einzelnen Uhr steckt ganz viel Erfahrung: Zu Gast in der Produktionswerkstatt des Uhrenindustriemuseums | SÜDKURIER

2023-02-28 14:42:53 By : Ms. Sarah Liu

Visual Story Veröffentlicht am 18. Oktober 2019

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VS-Schwenningen – Am vergangenen Dienstag knallten in der kleinen Werkstatt im Uhrenindustriemuseum in Schwenningen die Sektkorken. Ein selbst gebackener Kuchen stand auf der Werkbank und zehn Männer und Frauen stoßen miteinander an. Gefeiert wurde jedoch nicht nicht der 25. Geburtstag des Museums, der erst am kommenden Samstag mit einer Museumsnacht und verschiedenen Programmpunkten stattfindet (wir berichteten).

Anlass für die gesellige Arbeitspause war vielmehr der 65. Geburtstag von Werner Lemke, der seine Förderkreis-Kollegen und Museumsmitarbeiter zu diesem kleinen Umtrunk eingeladen hatte. „Ich bin der jüngste hier“, betont er und sorgt damit für die Erheiterung seiner Gäste.

Geselligkeit: Geselligkeit wir bei den rund 20 Mitgliedern des Förderkreises ohnehin großgeschrieben. Immer dienstags treffen sie sich kurz nach 9 Uhr in der kleinen Werkstatt neben dem Eingangsbereich des Museums. Es wird geplaudert und gefachsimpelt. Denn die meisten Mitarbeiter kommen aus technischen Berufen und bringen viele Jahrzehnte Berufserfahrung mit.

Einmal im Jahr unternehmen die Mitglieder einen Ausflug, einmal gehen sie gemeinsam essen. „Es macht einfach Spaß“, beschreibt Uhrmacher Rainer Jupe sein Engagement, der gerade die Sekunden- und Minutenzeiger auf einem Wecker montiert. Ähnliche Antworten haben Klaus Lonzer, Frank Nickel und Manfred Broghammer parat. Sie alle schätzen das Miteinander und machen die Arbeit gerne. Nicht zuletzt haben sie alle viele Jahre in diesem und ähnlichen Berufen gearbeitet. So können sie sich auch weiterhin immer wieder neuen technischen Herausfordrungen stellen. Helga Grießbhaber ist da gleich zweimal eine Ausnahme. Sie ist die einzige Frau die aktiv in der Produktion mithilft. Die 75-Jährige hatte als gelernte Fernmeldebeamtin beruflich keinen Bezug zur Uhrenproduktion. Nach einem Museumsbesuch war sie so von den Maschinen fasziniert, dass sie gleich mitmachte.

Einige Mitglieder arbeiten nach ihrer Morgenschicht, die eigentlich um 12 Uhr endet, freiwillig einige Nachmittagsstunden weiter. Einer davon ist Helmut Erchinger. „Der Vormittag reicht einfach nicht aus“, sagt der gelernte Werkzeugmacher. Er kümmert sich um den Bau von Vorrichtungen und die Werkzeuge an den Maschinen, damit die Uhrenproduktion nicht zum Stillstand kommt.

Uhrenproduktion: „Wir produzieren immer Serien von 100 Stück“, erklärt Erchinger, der auch Museumsführungen macht. Bei den Weckern, die auf einer Konstruktion der Firma Hauser in Weigheim beruhen, ist man mittlerweile bei Seriennummer 3031 angekommen. Insgesamt 155 Einzelteile und etwa 500 Arbeitsschritte sind für jedes einzelne Exemplar nötig.

Von den Skelettuhren mit sichtbarem Uhrwerk gibt es heute rund 500 Stück. Diese Uhr wurden erst vor wenigen Jahren von Vereinsmitglied Felix Müller bis hin zur Serienreife entwickelt. Für die Produktion können zahlreiche Teile und Zahnräder des Weckers eins zu eins verwendet werden, was dem Förderkreis viel Zeit und zusätzliche Arbeitsschritte spart. Dennoch ist diese Uhr viel aufwändiger in der Herstellung, da alle sichtbaren Teile auf Hochglanz gebracht werden müssen. „Für eine Serie von 100 Weckern benötigen wir etwa vier Wochen“, weiß Manfred Brogahmmer. 100 Skelettuhren beanspruchen die Mitarbeiter sogar sechs bis acht Wochen.

Das wird auch beim Preis berücksichtigt. Der Museumswecker kostet für Kunden knapp 50 Euro, eine Skelettuhr schlägt mit knapp 100 Euro zu Buche. „Wir stellen ungefähr 80 Prozent aller benötigten Teile selbst her“, erklärt Erchinger. Der Rest werde von Firmen aus der Region zugeliefert. „Wir haben nicht für alle Teile die passenden Maschinen.“ Außerdem spielen dabei auch umwelt- und arbeitsschutzrechtliche Aspekte eine Rolle. Zu besonderen Anlässen werden Sondereditionen aufgelegt, wie zum Beispiel zur Landesgartenschau im Jahr 2010.

Ausstattung: Immer wieder kommen neue Maschinen hinzu. Am Dienstag brachte Helmut Klukas eine alte kleine Maschine mit, die er irgendwo angeboten bekommen hatte. „So geht das meistens“, weiß Helmut Erchinger. Viele, auch die großen Exemplare, konnte der Verein aus Altbeständen von Firmen und nach Betriebsauflösungen ergattern. Die Geräte werden dann restauriert und bei Bedarf in die Sammlung integriert, oder eingelagert. So zum Beispiel auch eine unbenutzte Uhrmacherdrehbank der Marke Schaublin, die Manfred Broghammer beisteuerte. In der Ausstellung können unter anderem eine funktionstüchtige Exzenterpresse, Nietmaschinen, Zahnradfräsen und verschiedene Drehmaschinen bestaunt werden.

Für Technikfans besonders interessant sind sicher die sogenannten Drehautomaten. Sie sind Vorfahren der heute gängigen, computergesteuerten CNC-Bearbeitungszentren. Doch schon damals konnten diese Maschinen automatisiert mehrere Arbeitsschritte nacheinander ausführen. Die rein mechanisch Steuerung funktionierte über spezielle Steuerräder. Viele technische Geräte im Museum sind bis heute voll funktionsfähig und kommen auch bei der Uhrenproduktion des Fördervereins zum Einsatz.

Geschichte: 1989 wurde das Projekt Uhrenindustriemuseum von einigen engagierten Bürgern angestoßen, was letztlich zur Vereinsgründung im Jahr 1990 führte. Der Förderkreis lebendiges Uhrenindustriemuseum war geboren. Die Stadtverwaltung und der Landkreis unterstützten die Initiative. Rund 30 Ehrenamtliche engagierten sich damals im Verein, sammelten von überall her alte Maschinen und kümmerten sich um deren Restaurierung. Bis zur Museumseröffnung in der Bürkstraße 39 sollte es jedoch noch fünf weitere Jahre dauern.

„Die bis dahin gesammelten und teils restaurierten Maschinen mussten zwischengelagert werden“, erinnert sich Gründungsmitglied Klaus Lonzer noch gut. Mit der Museumseröffnung lief langsam die Produktion der Wecker an. Zu Beginn sei die Nachfrage sehr gering gewesen, so der 76-Jährige. Erst mit der Internetseite schnellte die Nachfrage steil nach oben. Bestellungen aus aller Welt gingen ein. Die Folge: „Zwei Jahre Wartezeit. Wir sind mit der Produktion nicht mehr hinterher gekommen.“ 2003 wurde das Museum mit dem Luigi-Micheletti-Preis des European Museum Forum für das beste technische Museum in Europa ausgezeichnet. 2018 übernahm die Stadtverwaltung die Museumsleitung, und entlastete den Förderkreis damit.

Am kommenden Samstag, 19. Oktober, feiert das Uhrenindustriemuseum seinen 25. Geburtstag mit einer Museumsnacht. Los geht es um 17 Uhr mit einer Kurzführung durch die Sonderausstellung „Zeit, Freiheit und Kontrolle“ sowie einer Vorführung zum Thema „So entsteht der Museumswecker“. Im Anschluss sind bis 23 Uhr Grußworte, Vorträge, Vorführungen, musikalische Unterhaltung und Führungen geplant. Der Eintritt ist frei. Für Bewirtung ist gesorgt.

Weitere Infos gibt es im Internet:  www.uhrenindustriemuseum.de

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